„Über ‚Kultur‘ reden wir heute so, als redeten wir über Natur.“

Sama Maani, Respektverweigerung. Warum wir fremde Kulturen nicht respektieren sollten. Und die eigene auch nicht.

 

„Muslime trinken keinen Alkohol.“

Unsere Workshops verfolgen einen Ansatz mit eigener Prägung: Verstehen statt Verständnis. Das Konzept basiert auf drei Überzeugungen: 1. Wissen ist die Grundlage von Verstehen. 2. Wertentscheidungen sind unabdingbar Teil von Kultur. 3. Wir müssen bei Kultur auch immer über Macht und Politik reden.

Unsere Workshops sind wissensbasiert

Verstehen statt Verständnis heißt erst einmal Fragen zu stellen und nach plausiblen Antworten zu suchen: In der Geschichte, in der Politik, in der Religion, aber auch in ganz banalen Alltagsgegebenheiten: Wer aus einem Land kommt, in dem es im Winter nur Kerosinöfen gibt, kann nicht wissen, wie das mit Doppelglasfenstern, Zentralheizung und Heizkostenabrechnung funktioniert.

Um zu Verstehen braucht man Wissen. Wo Wissen fehlt, kommen Vorurteile unreflektiert zum Zug. Konflikte können nicht konstruktiv diskutiert werden, weil die eigentlichen Hintergründe unerkannt bleiben. Fremdes Verhalten, das unverständlich erscheint, führt zu Unsicherheit und Abwehr, es kann sogar Angst hervorrufen.

Wir erklären Ihnen ganz konkret wie die sozialen und politischen Verhältnisse das Denken und Handeln von Menschen beeinflussen. Wir vermitteln Wissen, zum Beispiel über nahöstliche Gesellschaften, ihre Familienstrukturen, ihre Geschichte, Fragen der Religion und der kulturellen Prägung. Dabei setzen wir bewußt nicht auf Überwältigungspädagogik, denn es gibt reale Probleme und Konfliktebenen, wenn Menschen mit sehr unterschiedlichen Prägungen aufeinandertreffen, die eben nicht nur einer falschen Optik – der vielzitierten „kulturellen Brille“ – geschuldet sind.

Interkulturelle Begegnung ist kein Ponyhof

Auf dem Ziel des gegenseitigen Verstehens basiert unsere menschliche Kommunikation. Und zumal in sozialen Berufen ist es unumgänglich, die Beweggründe menschlichen Handelns zu verstehen. Verständnis dagegen ist etwas ganz anderes. Man kann das Bemühen um Verständnis durchaus als moralisch-ethische Forderung aufstellen – aber man kann es weder verordnen noch erzwingen. Und mitunter kann es sehr gute Gründe geben, kein Verständnis aufzubringen. Offenheit und Empathie gegenüber anderen oder fremden Kulturen bedeutet nicht etwa voraussetzungslosen „Respekt“.

Beides, Verstehen und Verständnis, wird in der gesellschaftlichen Diskussion permanent durcheinandergebracht, und das führt oft zu Frustration und Unsicherheit. Wertentscheidungen sind nach unserem Verständnis ganz natürlich Teil von interkulturellen Kommunikationsprozessen. Wie könnte es auch anders sein? Nicht dass wir in solchen Fragen Position beziehen und uns für etwas entscheiden ist problematisch, sondern dass wir uns diese Entscheidung und ihre Grundlage oft nicht bewusst machen. Dass überhaupt Probleme und Mißverständnisse im interkulturellen Kontext entstehen, ist gar nicht zu vermeiden; auch Widersprüche und Mehrdeutigkeiten gehören dazu. All das ist auch nicht weiter schlimm, wenn man diese Dinge beim Namen nennt, sich mit ihnen konkret auseinandersetzt, und offen mit ihnen umgeht.

Wir dozieren keine ideologischen Forderungen, und hinterfragen so auch immer wieder Herangehensweisen und Prämissen herkömmlicher Übungen und Lehrmeinungen zur interkulturellen Kompetenz. Wir regen einen wissensbasierten, selbstreflexiven Umgang mit der Realität interkultureller Erfahrungen an, der klare Aussagen nicht scheut. Eindeutige oder schematische Antworten für viele Konfliktffelder gibt es nicht, wohl aber eine Haltung, die weiterhelfen kann: Menschen sind ernst zu nehmen.

Wenn man miteinander redet, wird man auch feststellen, dass manche Dinge hier und da gar nicht so unterschiedlich sind.

Alle Traditionen sind erfunden. Immer.

Es ist ein rechtes Kreuz mit der Kultur. „Kultur“ ist ein sehr sensibles, hoch besetztes Feld. Manchmal geht es hier nur um Banalitäten, manchmal können diese Banalitäten eine ungeheure Wichtigkeit zugesprochen bekommen, zumal wenn es um „Identität“ geht, und manchmal geht es auch wirklich um Wertefragen. Das konfliktträchtigste Beispiel ist hier der Komplex rund um Geschlechterfragen und die „Kultur“ islamisch geprägter Länder. Hier besteht nach unserer Erfahrung bei Workshops oft ein hoher und sehr intensiver Wissens- und Diskussionsbedarf.

Aber was ist überhaupt „Kultur“? Und was ist unsere Kultur? Welche meinen wir, die Kultur Berlins oder des Rheinlandes? Hochkultur oder Unterhaltungskultur oder gar – horribile dictu – Leitkultur? Auch über eigene kulturelle Vorstellungen muss ich mir klar werden, um kompetent interkulturell agieren zu können. „Kultur“ ist sowieso niemals statisch, sie verändert sich fortwährend, manchmal langsamer und manchmal schnell – in Zeiten der Globalisierung meist rasend – aber sie ist nie einfach nur unveränderlich da. Und sie ist immer ursächlich mit Politik, mit Macht und dem Zustand der Gesellschaft verbunden.

Ein gängiges Missverständnis über Menschen aus dem Nahen Osten und ganz allgemein aus den meisten Ländern des globalen Südens besteht in der Annahme, dass diese Menschen aus traditionellen Gesellschaften kommen. Anhaltspunkt dafür können sehr konservative Ansichten sein, rigide Gesetze oder der Hinweis auf religiöse Normen, womit Menschen ihr Verhalten begründen. Das scheint uns sehr traditionell. Ist es aber meist gar nicht. „Traditionen“ zumal im religiösen Bereich werden aus politischen Gründen fortwährend neu erfunden. Ein kurzer Blick auf die neuere Geschichte zeigt, dass in Afrika oder Asien in den letzten Jahrzehnten massive Umbrüche stattgefunden haben. Oft ist buchstäblich kein Stein mehr auf dem anderen geblieben. Durch fortwährende Krisen und Kriege sowie Modernisierung und Migration sind Traditionen genauso verschwunden und neu aufgetaucht wie in den europäischen Gesellschaften auch.

Wichtig ist, sich immer wieder klar zu machen: Menschen sind in der Regel besser als ihre „Kultur“ – und das gilt für alle Kulturen und alle Menschen. Es gilt den einzelnen Menschen zu respektieren. Als Individuum und als Persönlichkeit, nicht als Vertreter einer „Kultur“. „Kultur“ ist keine Zwangsjacke.

Die Methode

Um Konflikte zu beheben, müssen wir die Ursache verstehen; zuerst gilt es Problemlagen detailliert zu beleuchten und zu fragen: Wo genau liegt der Unterschied im Verhalten oder in der Einschätzung? Wir nehmen in unseren Workshops gerne Sauberkeit als Beispiel – das kennen die meisten als Konfliktfeld auch aus ganz monokulturellen Zusammenhängen.

Wer einmal mit einem Partner oder anderen Menschen neu in eine Wohnung gezogen ist, hat sich meist schon über diesen Punkt geärgert, ob über dessen Nachlässigkeit oder Pedanterie. Aber putzt der andere nur einfach weniger? Oder putzt er vielleicht das Bad, aber nicht die Küche? Bei Flüchtlingen stellen Sozialarbeiterinnen zuweilen fest, dass zwar ihr persönlicher Bereich absolut schmutzfrei ist, aber in der Küche Schimmel sprießt. Wenn Sie das so benennen können und nicht einfach nur sagen: „Es gibt da ein Hygieneproblem“, dann sind Sie auf dem richtigen Weg.

Im zweiten Schritt müssen wir offen nach den Ursachen suchen. Dazu gehört es auch, unsere Beobachtung dem anderen fair mitzuteilen und schlicht zu fragen, warum er das so macht. Viele Menschen fürchten, dass solche Fragen beleidigend sein könnten. Das sind sie aber nur dann, wenn sie nicht fair sind und schon eine Wertung beinhalten. Fair und ohne Wertung nach einem Verhalten zu fragen, was uns ärgert, ist schwer. Aber wenn wir es schaffen, führt es meist zu den interessantesten Gesprächen über Kultur.

Oft kann uns aber der Betroffene gar nicht genau sagen, warum er etwas so macht. Um das Verhalten zu verstehen, müssen wir uns umfassend auf die Suche begeben: im konkreten Alltagsleben am Herkunftsort, in Politik, Gesellschaftsstruktur – und eher zuletzt in der Religion. Zweifellos ist es auch möglich, dass gar kein kultureller Unterschied vorliegt, sondern es schlicht individuelles Verhalten ist, mit dem derjenige auch bei seinen Landleuten aneckt.

Wenn wir beginnen zu verstehen, gewinnen wir häufig zuallererst Selbstvertrauen zurück. Viele Konflikte sind vor allem deshalb nervenaufreibend, weil Menschen dazu neigen, unerwünschtes Verhalten auf sich persönlich zu beziehen. Sie sehen darin eine Respektlosigkeit oder glauben zu versagen, weil sie ihre Ansprüche nicht vermitteln können. Wenn sie begreifen, dass der andere es einfach nicht anders kennt, schwindet auch der Ärger.

Wenn wir die Ursachen eines Verhaltens verstehen, können wir erst beginnen, nachhaltig etwas zu ändern. Wir können nicht nur gezielt auf bestimmte Verhaltensweisen ansprechen, sondern auch qualifiziert erklären, warum ein anderes Verhalten erwartet wird. Erst dann hat der andere die Möglichkeit, sich positiv für das neue Verhalten zu entscheiden, statt sich einfach nur anzupassen, um Ärger zu vermeiden, oder sich in seine „Identität“ einzuigeln. Aber klar gilt auch: Wenn wir nachhaltige Verhaltensänderungen wollen, müssen wir unser eigenes Verhalten und unsere eigenen Prozesse begreifen und erklären können. Und: Falls uns das nicht gelingt, sollten wir auch in Erwägung ziehen, dass unser Verhalten vielleicht gar nicht besonders sinnvoll ist.